Landwirtschaft braucht Raum – für Ernährung, Nachhaltigkeit und Zukunft

24. April 2025

Landwirtschaft braucht Raum – für Ernährung, Nachhaltigkeit und Zukunft

Im Gespräch mit Ortslandwirt Carsten Ritter

Die Landwirtschaft darf nicht vergessen werden – aus diesem Grund habe ich ein ausführliches Gespräch mit dem Ortslandwirt Carsten Ritter geführt. Schwerpunkt war die aktuelle Situation der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Herborn und den Stadtteilen sowie deren zukünftige Sicherung und Nutzung.

Aktuelle Situation und Herausforderungen

Carsten Ritter betonte, dass nahezu alle landwirtschaftlichen Flächen in der Gemeinde bewirtschaftet werden – nur wenige Ausnahmen bestehen. Er schilderte eindrücklich die große Schwierigkeit, als Landwirt neue Flächen zu bekommen. Kritisch sieht er dabei insbesondere, dass oftmals landwirtschaftliche Flächen an Landwirte außerhalb Herborns vergeben werden. Für ihn ist klar: Wenn städtische Flächen zur Verpachtung frei werden, sollten zunächst die ortsansässigen Vollerwerbslandwirte berücksichtigt werden.

Langfristige Sicherung landwirtschaftlicher Flächen

Im Hinblick auf den zunehmenden Flächenverbrauch, insbesondere durch Bau- und Gewerbegebiete, sprach sich Ritter dafür aus, bei der Erschließung neuer Gebiete stets genau zu prüfen, ob alternative Flächen genutzt werden können. Er wies darauf hin, dass landwirtschaftlich nutzbares Land ohnehin bereits sehr knapp sei.

Folgen der Flächenversiegelung

Die Auswirkungen der Flächenversiegelung seien für seinen Betrieb deutlich spürbar: Weniger verfügbare Fläche bedeutet zwangsläufig geringere Erträge – und somit auch weniger wirtschaftliche Perspektiven.

Brachliegende Flächen und ihre Nutzung

Auf die Frage, ob es Möglichkeiten gebe, brachliegende Flächen wieder in Nutzung zu bringen, erklärte Ritter, dass in Herborn kaum solche Flächen existieren. Der Großteil werde bereits aktiv bewirtschaftet.

Nachhaltige Landwirtschaft und Förderung

Als Biolandwirt liegt Carsten Ritter nachhaltige Bewirtschaftung besonders am Herzen. Sein Betrieb verzichtet vollständig auf künstliche Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und setzt auf Fruchtfolgen, die den Boden durch den Anbau von Bohnen und Erbsen mit Stickstoff anreichern. In seinem Stall hält er etwa 40 Pferde zur Einstellnutzung. Diese Form der Landwirtschaft ist streng reguliert und unterliegt regelmäßiger Kontrolle.

Er wies darauf hin, dass der Lahn-Dill-Kreis den höchsten Anteil an Biolandwirten in Hessen aufweist – ein Umstand, der stark mit der gezielten Förderpolitik zusammenhängt. Fördermittel seien essenziell, um die ökologischen Standards wirtschaftlich tragbar zu gestalten.

Rolle der Gemeinde in der Förderung nachhaltiger Praktiken

Laut Ritter könne die Gemeinde nachhaltige Landwirtschaft insbesondere durch Vermeidung von Ackerlandverlust unterstützen. So kritisierte er beispielsweise die Umwandlung von Acker- in Grünland und warnte vor Preisverfällen im Getreidebereich infolge von Flächenstilllegungen.

Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Gemeinde

Zum Thema erneuerbare Energien auf landwirtschaftlichen Flächen machte Ritter deutlich, dass Solaranlagen für ihn keine Option seien, da sie produktive Flächen blockieren. Biogasanlagen sieht er dagegen positiver – jedoch nur, wenn sie mit landwirtschaftlichen Reststoffen und nicht eigens angebauten Energiepflanzen betrieben werden.

Förderprogramme und Beratung

Hinsichtlich Förderprogramme fühlt sich Ritter gut informiert – dank der kompetenten Beratung durch die Abteilung Ländlicher Raum beim Lahn-Dill-Kreis. Dennoch äußerte er den Wunsch, künftig weniger von Fördermitteln abhängig zu sein und stattdessen von den landwirtschaftlichen Erträgen leben zu können.

Gewerbeflächenentwicklung

Ritter äußerte sich kritisch zur bisherigen Gewerbeflächenentwicklung in Herborn. Diese habe sich vor allem auf die Kernstadt sowie die Stadtteile Merkenbach und Hörbach konzentriert. Er sieht auch in anderen Stadtteilen Potenzial, um ungenutzte Flächen sinnvoll zu erschließen – allerdings nur solche, die nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung geeignet sind. Die besten Ackerflächen sollten tabu bleiben.

Kompensation bei Flächenumwidmung

Werde landwirtschaftliche Fläche umgewidmet, müssten die betroffenen Betriebe in die Planung einbezogen und mit alternativen Flächen entschädigt werden. Das gelte insbesondere bei der Vergabe neuer Pachtverträge.

Zukunftsvisionen und Herausforderungen

Für die Zukunft sieht Ritter große Chancen in der Erschließung von Nischen wie mobilen Hühnerställen, Ziegen- oder Alpakahaltung. Die größten Herausforderungen für die nächsten zehn Jahre sieht er jedoch in der Klimaveränderung und den globalen wirtschaftlichen Entwicklungen – vor allem im Hinblick auf die schwankenden Getreidepreise.

Erwartungen an die Stadtpolitik

Abschließend forderte Carsten Ritter eine engere Einbindung der Ortslandwirte in politische Entscheidungen, insbesondere wenn es um die Nutzung und Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen geht. Diese sollten bis zum tatsächlichen Baubeginn weiterhin bewirtschaftet werden dürfen, um Planungssicherheit und ökologische Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Ich habe mich herzlich für das offene und informative Gespräch bedankt und zugesichert, dass ich im Falle meiner Wahl zum Bürgermeister eine enge Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft anstrebe – zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen und zur Stärkung der regionalen Landwirtschaft.